Dann musst Du die Perspektive wechseln!
Probleme, die wir nicht lösen können. Menschen, die wir nicht verstehen. Manchmal scheinen uns die Welt und die Menschen darin ein Rätsel zu sein.
Ein Perspektivwechsel beinhaltet die Chance, neue Ideen und Lösungen zu finden, vor allem aber Menschen zu verstehen. Schwierigkeiten verlieren ihren Schrecken und Menschen sind mitunter doch nicht so schlimm und anstrengend, wie wir zunächst glaubten.
Wie gerne wären wir wie die großen Mentalisten unserer Zeit? Würden nur allzu gerne wissen, was in unserem Gegenüber vor sich geht. Warum sich jemand verhält, wie er sich verhält. Dabei ist Gedankenlesen genau genommen nichts anderes als Empathie und emotionale Intelligenz.
Die Fähigkeit, sich in andere hineinzuversetzen. Deren Gefühle wahrzunehmen, korrekt zu interpretieren und angemessen damit umzugehen. Und mit den eigenen!
Denn der Weg zu den Motiven und Bedürfnissen der anderen geht über ihre Emotionen. Und diesen können wir über Mimik und Körpersprache auf die Schliche kommen.
Aber für viele von uns gibt es eine Hürde: die Fähigkeit und der Wille zum Perspektivwechsel.
Wir sind so sehr in unserer eigenen Welt gefangen, dass es für uns keine Alternativen geben kann. Die Welt funktioniert ausschließlich so, wie wir sie uns in unseren Köpfen aufgebaut haben. Erziehung, soziales Umfeld und Erfahrungen prägen uns und unsere Welt. Wir leben mit unseren Glaubenssätzen, die sich wie eine Mauer um uns aufgebaut haben und schaffen es kaum, über diese hinwegzusehen.
Damit wir andere Menschen tiefgreifender verstehen und einen Perspektivwechsel vollziehen können, müssen wir zunächst die Tatsache akzeptieren, dass jeder Mensch seine eigenen Ansichten, Werte, Erfahrungen und sein Bild der Welt hat. Es gibt nicht die eine Wahrheit.
Vorab: verstehen bedeutet nicht einverstanden sein!
Unser Gegenüber tiefgreifender zu verstehen, ermöglicht es uns, beruflich wie privat Vertrauen zu gewinnen, Menschen an uns zu binden und ein wertschätzendes Miteinander zu schaffen.
Doch wie können wir uns in die Gedankenwelt einer anderen Person versetzen?
Wache Sinne sind gefragt! Empathie erfordert auch Ausgeglichenheit. Dazu gehören gesunde Ernährung und viel Bewegung. Stress ist der Feind von Empathie! Wenn unsere Vorfahren in Urzeiten unter Stress gerieten, z.B. im Kampf und auf der Jagd, war es nicht erforderlich, empathisch zu sein.
Unser Gehirn konnte sich in den letzten Jahrtausenden soweit optimieren, dass es für so manche Situationen Faustregeln entwarf. Heuristiken, die uns helfen zu reagieren, ohne groß nachdenken zu müssen. Das spart Zeit und Energie … allerdings lauern auch so manche Fallen.
Die Macht des ersten Eindrucks zum Beispiel hilft uns einerseits, unser Gegenüber schnell einzuschätzen. Innerhalb von Sekunden entscheiden wir über Freund oder Feind, Status und Sympathie. Gleichzeitig sorgt dieser durchaus gewollte Effekt auch dafür, dass wir jemanden in eine Schublade stecken, in die er vielleicht gar nicht hineingehört. Diese Funktion gilt es sich bewusst zu machen und ihr entgegenzuwirken. Lass dem anderen eine Chance!
Im Umgang mit Menschen gebietet es schon die Höflichkeit, aufmerksam zu sein. Leider lassen wir uns heute zu leicht ablenken. Die größte Gefahr birgt das Smartphone. Wenn Du Dich mit anderen triffst, dich unterhältst und austauschst, hat es Dein Gegenüber verdient, dass Du ihm Deine volle Aufmerksamkeit schenkst. Mein Tipp: Smartphone in den Flugzeugmodus!
Diese Aufmerksamkeit ermöglicht es Dir, nicht nur das gesprochene Wort zu verstehen, sondern auch die Signale, die unbewusst gesendet werden und ebenso wichtig sind, zu sehen:
Mimik und Körpersprache. Denn der Körper lügt nicht. Eine besondere Bedeutung kommt hier den sogenannten Mikroexpressionen zu. Kurze mimische Signale, die mitunter nur 40ms lang im Gesicht zu sehen sind und Dir verraten, was Dein Gegenüber gerade fühlt. Und genau das ist die Kunst: diese Signale wahrzunehmen, ist der Weg zum „Gedankenlesen“.
Eine wichtige Regel lautet: Beobachte, aber interpretiere nicht. Im Interpretieren sind wir großartig. Wir glauben, am Äußeren eines Menschen, an Mimik und Körpersprache, seinem Auftreten und Verhalten sofort erkennen zu können, was in ihm vorgeht und wer er ist. Die Erfolge sind hier eher bescheiden, da wir zu dem sogenannten Halo-Effekt neigen (Anzugträger = Bänker oder Jeans
= Student). An dieser Stelle müssen wir uns zurücknehmen, damit wir kein vorschnelles Urteil fällen.
Beachte auch immer den Kontext, in dem Du Dich befindest. Denn es macht einen Unterschied, ob Du dich in einer privaten Unterhaltung oder einem geschäftlichen Meeting befindest. Wir Menschen spielen unsere Rollen. Je nach Bühne, auf der wir uns gerade befinden.
Überprüfe Deine Einstellung zu Deinem Gegenüber. Stehst Du der Person wirklich neutral gegenüber? Wenn wir Menschen sympathisch finden, dann neigen wir dazu, jede ihrer Handlungen in ein gutes Licht zu rücken. Umgekehrt ist es genauso: jemandem, den wir nicht mögen, unterstellen wir eher, dass er nichts Gutes im Schilde führt. Diese Vorannahmen prägen das Gespräch im weiteren Verlauf.
Mit den vorgenannten Hinweisen ausgestattet gilt es nun, unser Gegenüber wahrzunehmen. Frei von eigenen Weltanschauungen und Werten, Glaubenssätzen und Vorannahmen. Das mag zunächst nicht einfach sein, gelingt aber mit der Zeit und viel Übung.
Apropos Übung. Um Deinen „Beobachtungsmuskel“ zu trainieren, empfehle ich in Cafés, Restaurants und öffentlichen Plätzen Menschen zu beobachten. Mach ein Spiel daraus, Menschen ganz genau ins Auge zu fassen (bitte nicht anstarren) ohne zu interpretieren. Nimm wahr, wie sich jemand bewegt, seine Gestik, was in seinem Gesicht alles zu beobachten ist. Auch die Interaktion mit anderen ist spannend.
Um in die Gedanken Deiner Mitmenschen einzutauchen, ist wie bereits geschrieben Empathie notwendig. Nimm wahr und spüre, was Dein Gegenüber fühlt. Dabei unterstützt Dich unter anderem das sogenannte Spiegeln. Damit ist gemeint, dass Du Dich Deinem Gegenüber angleichst: in Körperhaltung, Mimik, Sprache und Gestik. Dies darf allerdings nicht in ein Nachäffen ausarten, sondern soll als ein sanftes Angleichen verstanden werden. Dieses Spiegeln hat zwei Funktionen. Zum einen schafft es Vertrauen, denn wir mögen Menschen, die sind wie wir. Dies kannst Du zum Beispiel auch sehr gut über Kleidung und die Sprache erreichen. Passe Dich auch dem Dialekt an, wenn Dir dieser nicht zu fremd ist. Gerade im Saarland ist das gar nicht allzu schwer. 😉
Der zweite und eigentliche Grund ist, dass uns dieses Angleichen ermöglicht nachzufühlen, was unser Gegenüber fühlt. Dabei unterstützen uns die sogenannten Spiegelneuronen. Ganz vereinfacht gesprochen: unser Gehirn simuliert die Aktionen unserer Mitmenschen und ermöglicht so auch Mitgefühl. Wenn jemand ein Glas Wasser hebt und an den Mund führt, dann wird genau diese Handlung auch in unserem Gehirn simuliert, ohne dass diese Handlung tatsächlich ausgeführt wird. Sehen wir, wie sich jemand in den Finger schneidet, dann verziehen auch wir das Gesicht vor Schmerz, ohne diesen zu spüren.
An dieser Stelle ist es unbedingt notwendig, darauf zu achten, um welche Emotionen es gerade geht: sind es meine oder die des Gegenübers?
Emotionen geben uns klare Hinweise auf das Innenleben unserer Mitmenschen. Erkennen wir zum Beispiel Angst im Gesicht in Form von Mikroexpressionen, dann hat dieser Jemand ein Bedürfnis: nämlich das nach Sicherheit. Übergehe ich solche Signale, dann fehlt mir der Zugang zum anderen.
Trainiere Dir den peripheren Blick an, damit Du in der Lage bist eine Situation und Personen in Deinem Umfeld vollständig wahrzunehmen. Also Dich nicht nur auf das Gesicht zu konzentrieren, sondern auch gleichzeitig Gestik und Körperhaltung im Blick zu haben.
Lass Dein Gegenüber reden und höre aufmerksam und aktiv zu. Welche Worte benutzt er oder sie? Was hörst Du zwischen den Zeilen? Und wenn Du glaubst, zwischen den Zeilen etwas zu hören, dann interpretiere nicht aus Deiner Welt heraus. Sondern frage wertschätzend und respektvoll nach. Allzu oft sind wir mit unseren Gedanken schon bei der Antwort, während der andere noch am Reden ist. Dieser kognitive Prozess unterbricht aber die Verbindung zu unserem Gegenüber. Wir sind nicht multitaskingfähig!
Zum Schluss noch ein wichtiger Hinweis: Hüte Dich vor Mythen aus der Welt der Körpersprache!
Verschränkte Arme bedeuten nicht zwangsläufig eine ablehnende Haltung. Das Kratzen an der Nase weist nicht auf eine Lüge hin und auch die Blickrichtung (außerhalb personeller Interaktion) gibt uns keinerlei Hinweise auf die Gedanken unsere Mitmenschen.
Wie schon Sherlock Holmes sagte: „Ich habe gelernt, das was ich sehe, wahrzunehmen.“ Die Frage ist jetzt nur: gelingt Dir der Perspektivwechsel?